Flächenverbrauch & Versiegelung für Bodenstrategie

Eine interessante AGEO-Veranstaltung zu diesem Thema fand am 3.10.2023 bei GeoSphere (Wien3) statt. Bereits letztes Jahr hatte sich AGEO bzw. DI Wolfgang Tinkl (AMA) das Ziel gesetzt, mit VersIS eine Open Data Plattform ins Leben zu rufen über die das Thema Bodenverbrauch transparenter machen soll. Eine Landing-Page gibt es bereits: https://www.flaechenverbrauch.at

Gleichsam blieb dies als letztes Ziel über, denn die „Schaffung von einheitlichen Definitionen in Österreich anstoßen“ sowie ein neuer Versiegelungsdatensatz “Versiegelungskataster“ wurden als Ziele verworfen. Das zeigt auch das Dilemma, dass hochrangige Vertreter der Geo-Branche über Daten diskutieren, aber tiefe Fachkenntnis (Was ist ein versiegelter Boden? Welche Versiegelungsgrade gibt es? etc.) fehlt bzw. durch 9 Landesgesetze sehr unterschiedlich interpretiert wird (etwa ab wann gilt ein Grundstück als bebaut). Es sollte „keine Fachdiskussion“ vom Zaun gebrochen werden, meinte DI Tinkl.

Der Vortrag von DI Michael Weiß (Umweltbundesamt – UBA) brachte schon viel Licht ins Dunkel, etwa durch die Unterscheidung „versiegelter Fläche“ und „Flächeninanspruchnahme (FI)“ – ein Begriff, der sehr viele Flächen miteinschließt, an die man vermutlich nicht gleich denkt.

Weiters wurde mit jedem Vortrag mehr und mehr klar, dass dieses Thema ein eminent politisches ist und die Diskussion „Was genau ist Flächenverbrauch“ provokant formuliert, vom eigentlichen Thema – den dramatisch zunehmenden Flächenverbrauch – ablenkt.

Ein Beispiel dafür sind Flächen für Photovoltaik- und Windkraftanlagen, die nach dem neuen Modell des UBA zwar einem Monitoring unterliegen, jedoch (eine wohl politische Entscheidung!) nicht als FI gewertet werden. Der Grund liegt auf der Hand: Der Nachholbedarf ist hier so groß, dass sich diese Flächen unmöglich in den zu sinkenden Bodenverbrauchszahlen ausgehen könnten.

Hier soll sich noch dieses Jahr Entscheidendes tun, denn die neue Methodik der FI erzielte Konsens bei allen ÖROK-Mitgliedern und Ende des Jahres sollen aktuelle Werte veröffentlicht werden. Weiters sollen Veränderungen in exakt definierten Zeitabständen mit konsistenten Datensätzen fortgeführt werden. Auf welcher Ebene die Daten künftig abrufbar sein werden, wird aber noch diskutiert. 

Dipl.-Ing. Manuela Weissenbeck (Bereichsleiterin Geoinformation Amt der Steiermärkischen Landesregierung) gab Einblick in die steirische Bodenstrategie bzw. auf ehrgeizige Ziele: EU-Bodenstrategie für 2030 (bzw. „Null-Netto-Flächenverbrauch“ bis 2050). An dieser Stelle gratulieren wir sehr herzlichst zum diesjährigen SAG-Award von Esri!

Quelle: ÖROK – www.oerok.gv.at/oerek-2030

Es wurde unter anderem seitens des Landes-GIS auf die oft genannte Forderung „(Wieder)Belebung der Ortskerne“ eine Möglichkeit zur räumlichen Abgrenzung der Ortskerne gezeigt – www.atlas-landesentwicklung.steiermark.at.

Eine große offene Frage bleibt die Erhebung des Gebäudeleerstandes bzw. Wohnungsleerstandes. Sämtliche Anwesenden beklagten in der abschließenden Podiumsdiskussion, die Hürden des Datenschutzes und der personenbezogenen Daten, die diese wichtigen Fragen unbeantwortbar machen. Dr. Petra Staufer-Steinnocher fragte diesbezüglich, ob das Thema Datenschutz vs. „höheres Ziel“ schon ausjudiziert sei. Laut Statistik Austria gibt es an 13% aller österreichischen Wohnungen keine Hauptwohnsitz-Meldung (siehe Pressemitteilung 13 160-188/23 – Statistik Austria).

Dipl.-Ing. Elke Achleitner (Leiterin des Stadtvermessungsamtes Magistrat der Stadt Graz) präsentierte einen Einblick in das Grazer KIS (Klimainformationssystem). Erkenntnisse der aufwändigen Thermalbefliegungen brachten etwa das enorme Erhitzungspotential von Kunstrasenfeldern oder den nicht vorhandenen Abkühlungseffekt durch Rasendächern in Diskussion.

Quelle: AGEO-Forum 2023 / Grazer KIS – Kunstrasenauswertung

Schlussendlich betonte DI Achleitner auch das enorme Potential der hochwertigen und feinräumigen GIS-Daten für andere Sektoren. Etwa für Gesundheitsabteilungen die künftig auf Grund solcher Mikroklimadaten über Bewohnbarkeiten und Zumutbarkeiten entscheiden werden müssen. Die Podiumsdiskussion zeigte unterschiedliche Meinungen hinsichtlich der vorgelagerten Aufbereitung dieser (laut DI Achleitner) schwer interpretierbaren Rohdaten, bevor diese OGD zu Verfügung gestellt werden.

Zusammenfassend war das ein sehr interessanter Nachmittag mit Einblicken in die Herangehensweise unterschiedlicher Institutionen. Präsident Dipl.-Ing. Peter Skalicki-Weixelberger stellte die provokante Frage, ob wir nicht schon zu viele GeoDaten gesammelt hätten. Das „Wir“ bezieht sich in sehr vielen Fällen wohl auf überforderte Gemeindebedienstete, die immer mehr Daten erfassen müssen.

Einer Meinung war man sich darüber, dass die Wissenschaft bzw. die Technik nur Daten zu Verfügung stellen kann. Es liegt – wie meistens – an der Politik, die Thematik zu transportieren.